Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland ist stark gestiegen. Die Finanzierung der Pflegeversicherung steht vor strukturellen Problemen. Reformen sind dringend notwendig.
Inhaltsverzeichnis:
- Beitragssatz überschreitet 42 Prozent
- Pflegevorsorgefonds bleibt hinter Möglichkeiten zurück
- Leistungsmoratorium als Sofortmaßnahme
- Beteiligung des privaten Vermögens im Pflegefall
- Vorschläge für stabile Pflegefinanzierung
Beitragssatz überschreitet 42 Prozent
Der Gesamtbeitragssatz zur Sozialversicherung liegt aktuell bei 42 Prozent und damit über der früheren Obergrenze. Der Anstieg ist vor allem dem demografischen Wandel geschuldet. Besonders betroffen ist die soziale Pflegeversicherung. Seit Jahren steigen die Kosten, während die Einnahmen kaum mithalten.
Die Versicherung wurde 1995 eingeführt – damals bereits mit Kenntnis über den bevorstehenden Alterungsprozess der Bevölkerung. Trotzdem basiert sie fast vollständig auf dem Umlageverfahren. Die heutigen Beiträge fließen direkt in die Versorgung aktueller Pflegefälle.
Nur ein kleiner Teil geht in den sogenannten Pflegevorsorgefonds. Damit fehlt eine solide Rücklage für künftige Belastungen, etwa durch die Babyboomer-Generation.
Pflegevorsorgefonds bleibt hinter Möglichkeiten zurück
Der Pflegevorsorgefonds darf nur bis zu 20 Prozent seines Kapitals in Aktien anlegen. Dadurch verpasst Deutschland die Chance auf höhere Renditen, wie sie etwa Norwegen oder Schweden erzielen. Diese Länder setzen auf langfristig ausgerichtete, breit gestreute Fondsmodelle mit professionellem Management.
Aktuell ist geplant, ab 2035 auf die Mittel des Fonds zuzugreifen. Die größte Belastung durch die Babyboomer kommt jedoch erst rund zehn Jahre später. Die Zeit dazwischen müsste für einen konsequenten Kapitalaufbau genutzt werden.
Dafür schlagen Fachleute vor:
- Jährliche Zuführung von mindestens einem Beitragssatzpunkt
- Lockerung der Anlagerichtlinien
- Professionelle Verwaltung des Fonds
Leistungsmoratorium als Sofortmaßnahme
Ein sofortiger Leistungsstopp soll neue finanzielle Belastungen der Pflegeversicherung verhindern. Es geht nicht darum, notwendige Hilfe zu verweigern. Vielmehr soll das System stabilisiert und planbar gemacht werden.
Ein Moratorium schafft Freiraum für Verbesserungen:
- Ausbau der digitalen Unterstützung
- Stärkere Kompetenzen für Pflegekräfte
- Effizientere Koordination ambulanter und stationärer Angebote
Solche strukturellen Reformen sind mit ständig neuen Leistungen nicht vereinbar. Die derzeitige Politik verzögert sinnvolle Veränderungen.
Beteiligung des privaten Vermögens im Pflegefall
Pflege wird niemals völlig kostenlos sein. Die soziale Pflegeversicherung ist als Teilkaskosystem konzipiert. Sie schützt vor existenzbedrohenden Kosten, nicht aber vor jeglicher Eigenbeteiligung.
Wer über Vermögen verfügt – etwa über ein schuldenfreies Haus oder nennenswerte Ersparnisse –, sollte im Pflegefall einen Beitrag leisten. Das ist gerecht gegenüber jenen, die keine Rücklagen haben. Schon jetzt greift bei Bedürftigkeit die Sozialhilfe. Niemand wird im Pflegefall allein gelassen.
Eigenverantwortung ist ein Teil des gesellschaftlichen Ausgleichs. Nur durch gerechte Lastenverteilung bleibt die Pflegeversicherung dauerhaft tragfähig.
Vorschläge für stabile Pflegefinanzierung
Um die Pflegeversicherung langfristig zu stabilisieren, sind mehrere Maßnahmen notwendig:
- Einführung eines Moratoriums für neue oder erweiterte Leistungen
- Ausbau des Pflegevorsorgefonds mit langfristiger Kapitalanlage
- Pflicht zur Vermögensbeteiligung bei entsprechender finanzieller Lage
- Stärkere Förderung von Digitalisierung und Personalqualifikation
- Verzicht auf neue politische Leistungsversprechen ohne Gegenfinanzierung
Diese Maßnahmen sollen steigende Beitragssätze verhindern und das Vertrauen in den Sozialstaat sichern. Nur mit klaren Regeln, kluger Finanzierung und Verantwortung auf allen Seiten kann die Pflegeversicherung zukunftsfest bleiben.
Quelle: Tagesspiegel