Hausärzte warnen vor Risiken der geplanten Apothekenreform
Hausärzte warnen vor Risiken der geplanten Apothekenreform, Pixabay/Foto illustrativ

Die von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) geplante Reform des Apothekenwesens sorgt für scharfe Kritik seitens der Hausärztinnen und Hausärzte. Der Hausärzteverband warnt vor erheblichen Risiken für Patientinnen und Patienten und spricht von einem gefährlichen Irrweg. Das Gesetzespaket, das derzeit in der Ressortabstimmung steht, soll Apotheken mehr Befugnisse geben – unter anderem bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne ärztliches Rezept.

Inhaltsverzeichnis:

Warken plant weitreichende Änderungen für Apotheken

Gesundheitsministerin Nina Warken hat am Freitag ein umfangreiches Reformpaket vorgestellt. Apotheken sollen künftig in bestimmten Fällen verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne ärztliche Verschreibung abgeben dürfen. Zudem sollen sie mehr Impfungen durchführen, neue Vorsorge-Tests anbieten und ihre Öffnungszeiten flexibler gestalten können.

Sicherung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung
Sicherung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung, Foto: Pexels-Pixabay

Das Gesundheitsministerium argumentiert, dass diese Maßnahmen die wirtschaftlichen Bedingungen der Apotheken verbessern und so das flächendeckende Apothekennetz sichern sollen. Die Reform verfolgt mehrere Ziele:

  1. Sicherung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung.
  2. Entlastung der Hausarztpraxen.
  3. Stärkung der Eigenverantwortung der Apotheken.

Doch genau hier setzen die größten Bedenken an.

Markus Beier warnt vor Risiken für Patientensicherheit

Markus Beier, Hauptgeschäftsführer des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, bezeichnete die Reform als „Irrweg“. Er warnt, dass sie weder die Versorgung verbessern noch die Praxen entlasten werde. Stattdessen drohe sie, die Patientensicherheit zu gefährden.

Beier kritisiert besonders, dass Apothekerinnen und Apotheker künftig eigenständig entscheiden könnten, ob eine Erkrankung „unkompliziert“ sei. Diese Einschätzung solle in manchen Fällen eine ärztliche Untersuchung ersetzen. Nach Ansicht des Verbands sei das unverantwortlich.

Nur Ärztinnen und Ärzte könnten durch eine Untersuchung feststellen, ob es sich etwa um einen einfachen Virusinfekt oder eine Lungenentzündung handelt. Apotheker seien für solche Entscheidungen nicht ausgebildet. Fehlerhafte Selbsteinschätzungen könnten zu falschen Medikamentengaben und gefährlichen Wechselwirkungen führen.

Beier forderte deshalb klare Grenzen:

  • Jede Patientin und jeder Patient, der ein verschreibungspflichtiges Medikament benötigt, müsse ärztlich untersucht werden.
  • Eine Abgabe ohne Rezept öffne Fehlmedikationen Tür und Tor.
  • Sicherheit und Sorgfalt müssten Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen haben.

Streitpunkt Impfungen in Apotheken

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die geplante Ausweitung der Impfkompetenzen. Apotheken dürfen bereits seit einiger Zeit Grippe- und Coronaimpfungen anbieten. Nach Angaben des Hausärzteverbands werde dieses Angebot jedoch kaum genutzt.

Trotz geringer Nachfrage plant die Bundesregierung, Apotheken zusätzliche Impfungen zu erlauben. Verbandschef Beier nennt dieses Vorgehen „komplett widersinnig“. Wenn bestehende Impfangebote kaum angenommen würden, sei eine Ausweitung der Befugnisse nicht nachvollziehbar.

Nach Einschätzung des Verbands führe die Reform nicht zu höheren Impfquoten, sondern eher zu organisatorischem Mehraufwand. Zudem könnten Überschneidungen zwischen ärztlichen Praxen und Apotheken neue Verwirrung stiften.

Sorge vor Chaos im Gesundheitssystem

Die Hausärztinnen und Hausärzte warnen davor, dass die geplante Reform das ohnehin komplexe Gesundheitssystem weiter überlasten könnte. Schon jetzt seien viele Abläufe bürokratisch und zeitaufwendig. Eine zusätzliche Entscheidungsinstanz – die Apotheke – könne diese Strukturen weiter verkomplizieren.

Mehrere Verbände fordern daher, das Gesetzespaket grundlegend zu überarbeiten. Das Ziel müsse eine echte Verbesserung der Versorgung sein – nicht die Aufweichung medizinischer Standards. Laut den Kritikern würde die Reform in ihrer jetzigen Form nicht nur Patientinnen und Patienten gefährden, sondern auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem schwächen.

Bundesgesundheitsministerin Warken steht somit vor einem schwierigen Balanceakt. Einerseits will sie Apotheken stärken, andererseits wächst der Widerstand der Ärzteschaft. Ob das Reformpaket in der aktuellen Form umgesetzt wird, bleibt unklar. Sicher ist nur, dass der Streit um die Zuständigkeiten im deutschen Gesundheitswesen weitergehen wird.

 Quelle: Berliner Morgenpost