Zwei plötzliche Herzstillstände innerhalb weniger Wochen erschüttern den Amateurfußball in Brandenburg. Die tragischen Ereignisse werfen Fragen zur medizinischen Vorsorge, zur Ausstattung von Sportanlagen und zur Schulung von Ersthelfern auf. Zahlen, Geräte und menschliche Reaktion stehen nun im Zentrum der Diskussion.
Brandenburgs Fußball in Alarmbereitschaft
Am 8. März 2025 brach Lucas Albrecht vom SV Grün-Weiß Lübben während eines Spiels gegen den 1. FC Frankfurt (Oder) plötzlich zusammen. Der 26-Jährige erlitt einen plötzlichen Herzstillstand. Nur dank der sofortigen Wiederbelebung durch den Linienrichter Kevin Heyl und den Co-Trainer der Gastgeber konnte er gerettet werden. Der Notarzt traf etwa acht Minuten nach dem Kollaps ein – mit einem Defibrillator. Ein AED-Gerät war auf dem Sportgelände jedoch nicht vorhanden.
Nur sieben Wochen später, am 26. April, kam es zu einem weiteren Vorfall. Ronny Kessel von der SG Mildenberg brach nach einem Torjubel zusammen und starb trotz Reanimationsversuchen auf dem Weg ins Krankenhaus. Er wurde 36 Jahre alt. Auch in Mildenberg gab es kein AED-Gerät.
Die beiden Fälle zeigen ein bisher unterschätztes Risiko im Amateurfußball auf. Laut dem Deutschen Herzzentrum der Charité sterben jährlich rund 70.000 Menschen in Deutschland am plötzlichen Herztod. In Europa sind es bis zu 300.000, in Nordamerika etwa 350.000.
Die unsichtbare Gefahr bei Sportlern
Laut Kardiologe Prof. Dr. Gerhard Hindricks treten strukturelle Herzerkrankungen oft ohne Symptome auf. Besonders beim Sport, wenn das Herz unter hoher Belastung steht, kann es zu einem ersten – und oft tödlichen – Auftreten kommen. Typische Warnzeichen wie Herzrasen, Schwindel oder Ohnmacht unter Anstrengung sollten ernst genommen werden.
Empfohlen wird daher ein Screening für alle Sporttreibenden im Amateurbereich. Ein Elektrokardiogramm und ein Herzultraschall sind einfache Maßnahmen zur Früherkennung. Diese Untersuchungen sind weder invasiv noch teuer, werden aber selten durchgeführt.
Im Notfall zählt jede Minute
Entscheidend ist schnelles Handeln. Die sogenannte Überlebenskette beginnt mit dem Erkennen der Symptome, gefolgt von Notruf, Rückenlagerung und Herzdruckmassage. Ein AED-Gerät kann die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich erhöhen – vorausgesetzt, es ist vorhanden.
Wichtig ist:
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Erkennung der Situation
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Sofortige Alarmierung des Notrufs
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Durchführung der Herzdruckmassage
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Einsatz eines AED-Geräts (wenn vorhanden)
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Überbrückung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes
Die ersten 3 bis 6 Minuten nach einem Herzstillstand sind entscheidend. In dieser „kritischen Zeitzone“ können mutige Laienmaßnahmen Leben retten oder dauerhafte Behinderungen verhindern.
Fehlende Geräte, geringe Ausstattung
Im Fußball-Landesverband Brandenburg wurden in der Saison 2023/24 insgesamt 38.770 Spiele ausgetragen. Nur zwölf medizinische Notfälle wurden registriert – zwei davon endeten beinahe tödlich oder tödlich. Dennoch verfügen laut Vereinsberater Ronny Beyer nur etwa 10 bis 20 Prozent der Sportstätten über ein AED-Gerät.
Ein Defibrillator kostet rund 1.500 bis 2.000 Euro. Zuständig für die Anschaffung sind meist Kommunen oder Städte. Doch laut Beyer fehlt es an Engagement: „Bei den meisten Sportplätzen sehe ich kein AED-Gerät hängen.“ Der Verband versucht deshalb, in Zusammenarbeit mit Stiftungen finanzielle Unterstützung zu organisieren.
Initiativen vor Ort – Erste Hilfe für alle
In Lübben soll Ende Juni ein Erste-Hilfe-Aktionstag stattfinden. SV Grün-Weiß Lübben und der HC Spreewald wollen alle Trainer schulen und für den Einsatz von Defibrillatoren sensibilisieren. Ziel ist es, möglichst viele Menschen in der Region handlungsfähig zu machen.
„Dieses Thema muss in die Gesellschaft“, sagt Vereinschef Christian Leyer. In Lübben sind bereits mehrere AED-Geräte an Schulen und Sportstätten vorhanden. In Frankfurt (Oder) hingegen fehlt ein solches Gerät auf dem Sportplatz – trotz Universität und Sportschule.
Der Kardiologe Gerhard Hindricks betont: Die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt mit der Schulungsintensität. In Regionen mit gutem Trainingsstand überleben 20 Prozent der Betroffenen, in anderen nur 2 Prozent. Die Unterschiede machen Schulung, Ausstattung und Aufmerksamkeit.
Brandenburgs Amateurfußball steht vor der Herausforderung, nicht nur sportlich fit zu bleiben, sondern auch medizinisch vorbereitet zu sein. Die beiden Todesfälle sind ein Weckruf – und eine Chance, Leben zu retten.
Quelle: RBB24